Das ausgiebige Frühstück im Kloster Kreuzberg findet in einem grossen Saal statt. Es haben dort ca. 50 Gäste übernachtet. Hans verabschiedet sich von mir und wir wünschen einander alles Gute. Ich hole meine Wanderkarte hervor, die ich beim Rhönklub in Fulda bestellt habe, und begebe mich auf die Abfahrt vom Kreuzberg. Bereits in Zürich habe ich die Strecke vorbereitet. Es ist nicht ganz so einfach mit dem Rad auf dieser Seite herunterzufahren. Der Jakobsweg wäre zu steil, Strassen und Radwege gibt es keine. Aber die kleinen Waldstrassen die ich mir ausgesucht habe, bewähren sich in der Praxis. Über den Guckpass komme ich auf eine asphaltierte Strasse, die mich nach Langenleiten bringt. Die strahlende Sonne hat die Morgenkühle samt Wolken aufgelöst. Es herrscht Prachtwetter. In der Kirche von Langenleiten finde ich die Jakobsstatue und es gibt auch einen Pilgerstempel. Über Stangenroth geht es nach Burkardroth. Dort zieht eine grosse Gruppe von Wallfahrern mit Musik und Fahnen Richtung Kreuzberg. Über einen Kreuzweg geht es nach Frauenroth. Da treffe ich auch wieder auf die Muschelzeichen. Aus meinem Führer weis ich, in der kleinen romanischen Kirche ist ein sehr schönes gotisches Grab. Das möchte ich gerne sehen. Es ist aber Sonntag und es findet gerade eine Messe statt. Ich setze mich in die letzte Reihe und singe und bete mit, bis nach Schlussgesang, Marienlied und abschliessendem Orgelspiel der Gottesdienst fertig ist. Während die Leute herausströmen, gehe ich nach vor zum Altar. Hinter dem Altar im Chor ist das wunderschöne gotische Grab mit den Figuren von Otto und Beatrix von der Bodenlaube. Gross ist meine Freude.
Guckpass
Am Guckpass, links im Bild, endet meine Abfahrt vom Kreuzberg auf Waldsträsschen.
Eine schöne geteerte Strasse bringt mich nach Langenleiten. Sie verläuft parallel zum Jakobsweg.
Langenleiten
Jakobus in der Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt von Langenleiten
Über Stangenroth und Burkhardroth führt der Weg leicht bergauf nach Frauenroth.
Frauenroth
Zisterzienserkirche Frauenroth. Erbaut 1231 vom Ritterehepaar Otto und Beatrix von Bodenlauben. Otto war Kreuzritter und Minnesänger.
Interessant ist die Gründungssage des Zisterzienserklosters. Beatrix' Schleier flog davon, als sie über die Gründung eines Klosters nachdachte. Das sei ein Wink Gottes, dachte sie, liess den Schleier suchen und an der Fundstelle das Kloster erbauen. Ähnliches erzählt man sich von der Gründung des Klosters Klosterneuburg bei Wien. Dort war der Schleier der Agnes im Spiel.
Beim Grabmahl Graf Otto von der Bodenlauben und seiner Gattin Beatrix von Courtenay, um 1244, handelt es sich um eine der bedeutendsten Plastiken des 13. Jahrhunderts.
Wäre Christi Lohn nicht so voll Süsse,
so verliess ich nie die liebe Fraue mein,
die ich immerdar in meinem Herzen grüsse
und mein Himmelsreich soll sie mir sein.
Wo auch immer weilt die Gute,
Herr behalte mich in Deiner Hute,
Dass ich mir erwerb die Gnade Dein.
Otto von Bodenlauben; Minnegesang für seine Frau Beatrix
An der Saale
Wieder im Sattel geht es bergauf und bergab Richtung Aschach. Dort schwenke ich auf den Saale Radweg nach Bad Kissingen ein. Sehr romantisch führt der Weg an einem alten Bergwerk und einer Mühle vorbei.
Schloss in Aschach
Radweg im Saaletal
Ich fahre gemächlich dahin. Ein junger, sportlicher Radfahrer überholt mich. Ich erhöhe das Tempo und fahre mit ihm. Wir unterhalten uns ein wenig. Er ist aus Bad Kissingen beim Morgentraining. Es wird eng und ich fahre im Windschatten flott dahin. "Achtung enge Rechtskurve" warnt er mich und tatsächlich nach einer Brücke zweigt der Radweg im rechten Winkel ab. Die Sausefahrt führt zu einem kleinen Ort, durch ein Tor. Da holpert es ordentlich. Ich und das Rad werden durchgeschüttelt. Die Fahrt ist mir zu wild. Ich lasse meinen Führer ziehen und fahre gemächlich nach Bad Kissingen, das ich 15 min später erreiche. Der Radweg führt über eine elegante Brücke und der Kurort mit seinem Rosengarten liegt vor mir. Zeit ein Foto zu machen. Wo ist der Fotoapparat. Er ist nicht in meiner Lenkertasche am gewohnten Platz und der Zipp von der Lenkertasche ist offen. Der Schreck fährt mir durch alle Glieder. Der Fotoapparat wäre ja noch zu verschmerzen, aber all die Fotos! Entsetzlich. Verzweifelt mache ich mich auf, den Apparat zu suchen. Ich fahre zurück und suche den Boden ab. Jeden entgegenkommenden Radfahrer betrachte ich argwöhnisch, ob er meine Kamera hat. Ich frage auch einige, ob sie eine Kamera gesehen hätten. Nichts. Ich fahre weiter, immer weiter zurück. Meine Verzweiflung steigt. Bei der Stelle, wo es so ordentlich gerumpelt hat bleibe ich stehen. Es ist eine trockene Furt, die den Rumpler verursacht hat. Nichts, rein nichts. Wie weit soll ich noch zurückfahren. Es ist sinnlos. Ich gebe auf und drehe mich um. Da neben einem Haus ist ein weisses Stockerl. Und da drauf liegt mein Fotoapparat und obendrauf der Speicherchip. Funktioniert er noch? Ich setze den Chip wieder ein und fotografiere das Stockerl.
Das "Stockerl" (Hochdeutsch = Hocker)
Es geht und alle meine Fotos sind auch noch da. In der Nähe ist eine Bank. Da setze ich mich erst mal hin, kann mein Glück nicht fassen, sende ein Dankgebet in den Himmel und telefoniere mit meiner Frau Vreni.
Danke dem heiligen Jakobus und seinem Helfer!
Wieder zurück bei der Brücke in Bad Kissingen fotografiere ich jetzt und nehme mir fest vor, immer den Zipp der Lenkertasche zu schliessen.
Bad Kissingen
- hier bin ich eingekehrt
- Der Feuerturm ist als einziger von ursprünglich 14 Stadttürmen übrig geblieben
In Bad Kissingen herrscht emsiges Treiben. Es sind Kurgäste und Teilnehmer von einem Seminar, die um die Mittagszeit die Stadt bevölkern. Vor dem Rathaus erklärt eine Frau die Figuren an der Fassade. Eine grosse Touristenmenge hört zu, und auch ich entdecke die verschmitzten Figuren, die mir sonst nicht aufgefallen wären. Ich suche ein Lokal am Platz. Alle Tische im Freien sind besetzt. Bei zwei Damen frage ich artig, ob noch frei sei. Natürlich! Die eine Frau nimmt an einem Esoterik Kongress teil, die andere ist ihre Mutter, die die Gelegenheit nutzt, in Bad Kissingen Ferien zu machen. Als ich das auf einer Tafel angepriesene Linsengericht bestellen will, rät mir die Mutter zu etwas anderem. Sie habe bemerkt, wie ein anderer Gast mit dem Linsengericht gar nicht zufrieden war. Es entwickelt sich ein interessantes Gespräch. Es kommt noch eine dritte Frau, ebenfalls Kongressteilnehmerin, hinzu. Ihr fällt auf, dass ich zum jetzt bestellten Menü keinen Salat erhalten habe und fordert den Salat beim Kellner für mich ein.
Schade, muss ich das herzige, sonnige Bad Kissingen wieder verlassen. Nicht ohne zunächst noch einen Blick in die Jakobskirche zu werfen, wo gerade eine Musikprobe für eine Hochzeit stattfindet. Trompete und Orgel spielen schnulzige Herz-Schmerz Musik.
Am Main-Saale Radweg setze ich die Fahrt fort. Bis Poppenhausen entspricht der Verlauf dem des Jakobswegs. Der Radweg bringt mich nach Schweinfurt. Auf Grund der guten telefonischen Beschreibung der Herbergsmutter finde ich den Weg zur Pilgerherberge "Löwenzahn" und finde dort herzliche Aufnahme. Die Herberge, die gleichzeitig ein ausgezeichnetes vegetarisches Restaurant ist, ist aussen mit Jakobsmuscheln gekennzeichnet. In meinem Zimmer finde ich Bilder vom spanischen Jakobsweg. Die Herberge kann sechs Pilger aufnehmen. Die Zimmer sind einfach, aber modern und sauber. Leider gab es 2006 noch keine Dusche. Einzig in der Toilette war ein winziges Waschbecken (Anm.: Ab Mitte 2009 steht eine Dusche zur Verfügung).
Hier der Eingang der Pilgerherberge in der Gaststätte "Löwenzahn", Gartenstadtstrasse 37, Tel. 09721/201130 Homepage
Mit dem Autobus fahre ich ins Stadtzentrum. Dort findet gerade ein Fest statt. Am Rathausplatz ist eine riesige Bühne aufgebaut. Dort spielt eine Band Musik aus den 50er Jahren. Ich bin begeistert, kaufe ein Bier und bleibe eine Weile dort. Zurück in der Pilgerherberge, die auch ein Restaurant ist (vegetarisch) lese ich die Speisekarte und entscheide mich für Pfifferlinge. Die Bestellung verläuft aber anders. Die nette Frau kommt und sagt: "Für Sie gibt es ein Pilgermenü, Salat, Spagetti, Mineralwasser und ein Glas Pilgerwein". Als ich entgegne: Ich hätte lieber die Pfifferlinge, meint die Frau: "Ich werde sehen, ob das im Pilgermenü drin liegt". Und tatsächlich, ich bekomme Pilgermenü mit köstlichen Pfifferlingen.
Schweinfurt
Die evangelische Johanniskirche am Martin-Luther-Platz ist das älteste Bauwerk Schweinfurts. Der Bau eines romanischen Chores und des Nordturmes begann im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts.
Das Rathaus wurde 1570 bis 1572 von Baumeister Nikolaus Hofmann aus Halle a. d. Saale erbaut. Es hat alle Kriege unbeschädigt überstanden.
Den Erkerturm schmückt der kaiserliche Doppeladler mit dem Wappen Kaiser Maximilians II, der in den Fängen den Schweinfurter Adler hält. Die Balkonfront ist mit den Wappen der sieben Kurfürsten des Reiches bestückt. Den West- und Ostgiebel des Rathauses, sowie den Erker auf der Marktfassade ziert ein buntes Völkchen allegorischer Figuren. Diese symbolisieren Eigenschaften wie z.B. Gerechtigkeit, Mäßigkeit und Stärke, oder Jahreszeiten, Berufe und Elemente.
Gässchen in der Altstadt von Schweinfurt
Rathaus, von der Seite gesehen
In den Jahren 1589 - 1591, wurde das Zeughaus errichtet, um als Waffenarsenal und Lagerhaus der Reichsstadt Schweinfurt zu dienen.
Bei Angriffen war besonders die Nord- und Westseite des Gebäudes exponiert, da diese in Richtung Stadtmauer zeigten. Die nördliche und westliche Seite des Zeughauses ist somit dreimal so dick konzipiert wie die östliche und südliche Hausmauer. Sie weist 1,10 m Breite auf.
Musik aus den 50er Jahren am Rathausplatz von Schweinfurt.
"The Rocky Fellers" spielen auch für
Dich / Sie
"jump jive and wail" (gekürzte Fassung)
Eine so tolle, schwungvolle Musikbegleitung für mein Etappenbier gab es sonst nirgends.