Am Morgen ist es so nebelig, dass ich alle paar Minuten stehen bleiben und meine Brille putzen muss. Die Schilder 'Radweg nach Weingarten' bringen mich nur bis nach Reute. Dort führt nur noch die Bundesstrasse nach Weingarten. Das ist mir wegen des Nebels und des starken Verkehrs zu gefährlich. Ich fahre eine kleine Nebenstrasse nach Gwigg zum Jakobsweg.
St. Georgskapelle, Gwigg
Ein Blick in die Kapelle:
Jetzt löst sich auch der Nebel auf und es beginnt ein wunderschöner Sonnentag. In Bergatreue besichtige ich noch schnell die Kirche, die gerade für das Erntedankfest geschmückt wird. Die Bundesstrasse nach Weingarten ist wegen Unfalls für den Verkehr gesperrt. Ideal für mich. So habe ich einen breiten Radweg, der stetig bergab führt und die Fahrt zum Vergnügen werden lässt. Am Unfallort steht ein Lastwagen quer auf der Fahrbahn. Polizei und Feuerwehr sind am Aufräumen. Die Fahrerkabine sieht schrecklich zerquetscht aus. Hoffentlich hat der Fahrer überlebt. Mit dem Rad komme ich leicht vorbei und geniesse die weitere Bergabfahrt auf der gesperrten Strasse. Bei Baienfurt fragt mich ein entgegenkommender Autofahrer ob er da durchkommt. „Keine Chance" sag ich ihm, aber eine Umfahrung kann ich ihm nicht angeben. Ein Radweg führt mich auf Nebenstrassen bis zur Klosterkirche von Weingarten. Das Rad lasse ich unten stehen und steige die Stiegen hinauf zu der mächtigen Barockkirche. Im Inneren bin ich etwas enttäuscht. Sie ist grossteils eingerüstet. Im Klostershop erhalte ich einen Stempel für den Pilgerpass und begebe mich zum Schild „2400 km nach Santiago“. Das muss natürlich fotografiert werden.
Basilika St. Martinus, Weingarten, grösste Barockbasilika Deutschlands
Im Klosterhof steht dieses Schild
Anlässlich meiner Wanderung zu Fuss von Ulm nach Konstanz habe ich viel mehr zum Kloster Weingarten geschrieben und da war auch die Kirche nicht mehr eingerüstet: ---› auf den Pilger klicken
Über einen Radweg geht es direkt ins Zentrum von Ravensburg, die Stadt der Türme. Im herrlichen mittäglichen Sonnenschein präsentiert sich die Altstadt mit ihren schönen Gebäuden und Türmen von ihrer schönsten Seite. Mit dem Rad fahre ich durch viele Gassen, von einem Stadtturm zum anderen. Die Stadtmauer, die vielen Türme erinnern an die mittelalterliche Vergangenheit von Ravensburg. Oberhalb der Stadt lag einst die Stammburg der Welfen, die Ravensburg, später Veitsburg. Ich habe
eine eigene Seite gewidmet.
Durch das Frauentor (Bild links) gelangt der Pilger in die Altstadt von Ravensburg
Aus der Altstadt ragt der Blaserturm heraus.
Es fällt mir schwer, von der schönen Stadt Abschied zu nehmen. Doch so gegen Mittag gebe ich "Gas"': schliesslich will ich heute noch Konstanz erreichen, mit dem Zug nach Hause fahren und noch bei Tageslicht von Birmensdorf nach Aesch radeln.
Bald nach Ravensburg komme ich am Radweg Richtung Bodensee zum Kloster Weissenau.
Hier bleibe ich noch einmal kurz stehen und lasse mich von der barocken Pracht der ehemaligen Prämonstratenserkirche Peter und Paul beeindrucken.
Dann geht es zügig dahin. Ich fahre so um die 25km/h. Den Jakobsweg lasse ich jetzt rechts liegen und steuere auf dem Radweg nach Friedrichshafen direkt dem Bodensee zu. Das ist zwar ein Umweg, ich denke aber, dass ich via Bodenseeradweg im Flachen schneller nach Meersburg komme. Unterwegs treffe ich auf eine Radfahrerin, mit der ich mich beim Fahren unterhalte. Wieder allein, verfahre ich mich bei Meckenbeuren und lande in einer Abfall-Verwertungsanlage. Ich sei nicht der Erste wird mir beteuert. Also fahre ich zurück und durch ein Waldstück weiter Richtung Süden. Ein Radfahrer interessiert sich für mich und zeigt Respekt vor der von mir zurückgelegten Strecke. Er frägt, was ich da so viel an Gepäck mitschleppe und erschrickt wie schwer mein beladenes Rad ist. Er begleitet mich ein Stück und zeigt mir den weiteren Weg. Jetzt geht es im Schnelltempo nach Friedrichshafen, immer am Radweg neben der Hauptstrasse. Da kommt auch schon das Schild „Friedrichshafen“. Ich fahre geradeaus weiter auf das Stadtzentrum zu, kann aber schon bald auf den Bodensee-Radweg abbiegen. Ich bin etwas enttäuscht, denn der Bodensee-Radweg führt bis Immenstadt nicht am See, sondern entlang einer viel befahrenen Strasse. In Immenstadt mache ich eine kurze Pause, wähle auf meinem Handy das Schweizer Heim-Netz und telefoniere mit meiner Frau. Jetzt gibt es kein Halten mehr, es geht alles ganz schnell, schon bin ich in Meersburg ...
Meersburg
... und da ist auch schon die Fähre. Ich gehe an Bord, verstaue das Rad, sitze im Oberstock und geniesse mein Mittagsbrötli.
Die Fähre läuft in Konstanz ein.
Quer durch Konstanz geht es zur Brücke über den Rhein. Dort mache ich Halt. Hier begann mein Pilgerweg zu Fuss mit der Pfarrei – erste Etappe bis Märstetten. Der Weg ist geschlossen.
Mit dem Zug fahre ich nach Zürich-Hauptbahnhof. Die S-Bahn bringt mich mit grosser Verspätung nach Birmensdorf. Jetzt kommt der Anstieg nach Aesch. Im Dorf auf der Haldenstrasse kommt mir eine Nachbarin entgegen und begrüsst mich: "Da wird sich aber Eine freuen", sagt sie und "ich weiss wo du herkommst!"