Bei der Morgenandacht der Diakonissinnen treffen wir alle Schwestern. Die Schwester Oberin freut sich, dass Pilger da sind und fragt, ob sie etwas über uns hören könnten. Ich gehe nach vorne und erzähle ihnen, dass wir schon in Santiago waren, dass aber Pilgern nicht einfach dann aufhört, sondern ein Leben lang weitergeht, auch zur Lebensphilosophie wird. Wir sind in Leipzig gestartet, weil ich ein Verehrer von Johann Sebastian Bach bin, erkläre ich und erläutere, wer wir sind, woher wir kommen und wohin wir zu gehen beabsichtigen. Die Schwestern sind sehr erfreut. Nach der Andacht steht das Frühstück für uns bereit. Es kommt noch ein Gast dazu, aber sonst sind wir allein.
Danach verabschieden wir uns und machen uns wieder auf den Weg. Hans besorgt noch eine neue Sattelstütze während ich auf ihn bei der Georgenkirche warte. Als ich 2004 hier war, war die Kirche eingerüstet und wurde frisch gestrichen. Jetzt ist sie bereits wieder mit Graffiti verschandelt.
An der Werra entlang läuft das Rad wie von selbst. Wir halten Ausschau nach der alten Zonengrenze, können aber nichts entdecken. Wir fahren durch ein Naturschutzgebiet und halten Mittagsrast in einer Vogelbeobachtungsstation.
So macht Radfahren Spass
Dankmarshausen an der Werra. Der Berg im Hintergrund ist Abraum aus dem Bergwerk
Mein Ziel ist Vacha, das Ende des ökumenischen Pilgerwegs. Allerdings nähern wir uns Vacha von der anderen Seite, vorbei an Kali-Minen mit ihren riesigen Abraumbergen. Einige Kilometer vor Vacha entdecken wir Schilder zum Rhönradweg und zum Ulsterradweg. Diese Radwege würden unser Problem lösen, wie wir von Vacha nach Hühnfeld gelangen können, ohne die stark befahrene B84, bzw. den sehr hügeligen Pilgerweg benützen zu müssen. Wir entscheiden uns für den Ulsterradweg.
Die Radwege sind in unseren Radkarten nicht eingezeichnet. Sehr bald stellt sich heraus, dass der Ulsterradweg auf einem aufgelassenen Eisenbahntrasse führt. Das ist sehr angenehm, da wir eine Hügelkette überqueren müssen. Die Schienen sind weg, der Weg ist geteert, die alten Eisenbahnbrücken sind mit blauer Farbe frisch gestrichen. Der Weg führt sanft bergauf und wir passieren alte Bahnhöfe. Die Schilder sind noch da. Auch einen Bahnschranken gibt es noch – ausser Betrieb - sowie alte Signale. In Buttlar lädt ein Gasthausgarten zu einem Kaffeehalt. Der Ulsterradweg bringt uns über Geisa, wo wir den Jakobsweg queren, nach Tann. Wir fahren in das Städtchen und suchen ein Quartier in einem Hotel. In der Mitte des Städtchens steht die Statue des streng dreinblickenden Freiherrn von Tann. Alte Häuser und Stadttore verleihen Tann ein romantisches Aussehen.
Bei Geisa queren wir den Jakobsweg
Beim Elf Apostelhaus in Tann ist der zwölfte bei einem Umbau verloren gegangen.
Freiherr von Tann steht ganz stolz auf dem Sockel und blickt sehr, sehr streng in die Gegend.