Es ist der sechste Tag und noch immer lacht die Sonne und begrüsst uns freundlich mit ihren warmen Strahlen. „Immer den Muschelzeichen nach“ heisst heute die Devise. Sehr angenehm, dass der Jakobsweg auf Radwegen führt. Johannesberg, Bronnzell, Eichzell, Welkers heissen die Orte, durch die wir fahren. In Welkers steht in der modernen Kirche ein gotischer Altar. Den hätte ich gerne besucht, aber leider ist die Kirche geschlossen. „Es wird zu viel gestohlen“, sagt eine Frau, die gerade vorbeikommt.
Doch Jahre später im September 2015 bekam ich ein Email von einer Radpilgerin. Sie hatte meinen Bericht gelesen und schickte mir dieses Foto von dem Altar.
(Foto Ellen Fehlow )
Nach Welkers wird der Jakobsweg zu steil und zu schwierig für Fahrräder. Also nehmen wir eine andere Route und fahren dem Flüsschen Fulda entlang stromaufwärts nach Gersfeld. Dort machen wir eine wohlverdiente Pause bei Apfelstrudel und Kaffee. Nach dem langen Bergauffahren freue ich mich auf die Bergabfahrt, aber es kommt anders. Zunächst stellen wir fest, dass die direkteste Verbindung zu unserem nächsten Etappenort Bischofsheim, die B279, wegen Bauarbeiten gesperrt ist. Das ist doch kein Hindernis für Radfahrer! Wir fragen noch die Bauarbeiter und erfahren, dass die Strasse fast fertig ist und für Radfahrer kein Problem bestehen sollte. Was für ein breiter wunderbarer Radweg ohne Verkehr. Ab und zu ein Lastwagen oder Baustellenfahrzeug. Aber es geht immer noch bergauf, bis zu einem Pass „die Schwedenschanze“. Wir queren auch den Jakobsweg und sind froh, dass wir auf diesem steilen Waldweg nicht fahren mussten. Das wäre unmöglich gewesen! Nach dem Pass geht es zügig bergab und im Nu sind wir in Bischofsheim. Dort machen wir eine kurze Rast. Ich besichtige die Kirche mit dem interessanten freistehenden romanischen Turm.
Von Welkers über Gersfeld nach Bischofsheim
Der 26 Meter hohe Stadtturm, (Zentturm) ist das Wahrzeichen von Bischofsheim. Die katholischen Stadtpfarrkirche St. Georg schliesst direkt an den imposanten Turm aus dem 13. Jahrhundert. Vor dem Stadtturm befindet sich das Messnerhaus, wo die Bischofsheimer Touristinformation untergebracht ist.
Gestärkt und mit frisch gefüllten Wasservorräten geht es los Richtung Kreuzberg, der grössten Erhebung am Jakobsweg in Deutschland. Über 900 m ist er hoch. Bedächtig nehme ich die ersten Steigungen in Angriff. Bald sieht man Bischofsheim von oben und ich mache ein Foto. Hans fährt voraus und ich hole ihn nie mehr ein. Ein anderer Radfahrer ohne Gepäck überholt mich. Ich komme nur ganz langsam vorwärts. Irgendwann muss ich absteigen und schieben, bis es nicht mehr ganz so steil ist. Nach ca. einer Stunde Fahrt mit kurzen Schiebeetappen sehe ich den Parkplatz. Von hier müssen die Autofahrer zu Fuss gehen, da kann es ja nicht mehr weit sein. Es sind viele Fussgänger unterwegs. Dann sehe ich das Kloster und die Biertische, an denen hunderte fröhliche Deutsche sitzen und dem Lieblingssport "Biertrinken" huldigen. Auch Hans sitzt dort und erwartet mich. Wir trinken einen Radler. Für den Humpen muss man Einsatz leisten. Im Menschengetümmel suche ich die Klosterpforte. Dahinter mutet es eher nach einem Hotel wie nach einem Kloster an. Wir erhalten Zimmerschlüssel, versorgen unsere Räder im Hof hinter dem Kloster, wo auch die riesigen Bernhardinerhunde zu Hause sind. Das Gepäck kommt ins Zimmer. Es ist ein einfaches, aber schönes Zimmer. Nur das Kreuz erinnert an ein Kloster. Vom Kloster aus nehmen wir den kurzen Anstieg zum Kreuzberggipfel in Angriff. Oben steht ein riesiger Sendemast und die drei Kreuze als Teil eines Kreuzwegs. Die versprochene gewaltige Aussicht ist wegen trüben Wetters etwas eingeschränkt und nicht so überwältigend. Es beginnt auch ein wenig zu tröpfeln. Wir wandern zurück zum Kloster und besichtigen die Kirche, wo wir auch ein wenig singen.
Die ersten Höhenmeter sind bezwungen. Im Hintergrund liegt Bischofsheim.
Der Kreuzberg ist mit 928m der höchste Punkt auf dem deutschen Jakobsweg von Leipzig nach Konstanz.
Hier wird Bier gebraut und auch getrunken.
Der Hl. Jakobus beim Kloster Kreuzberg
Vom Kloster führt ein Kreuzweg auf den Gipfel des Berges. Die letzte Station bilden diese drei markanten Kreuze.
Die Kreuze am Kreuzberg
Mein Zimmer im Kloster Kreuzberg
In der Kirche steht das Kreuz im Mittelpunkt. Aber auch der heilige Kilian wird hier verehrt. Dem Frankenapostel wird die erste Errichtung eines Kreuzes im Jahre 686 zugeschrieben.
Das Nachtmahl wird eine Enttäuschung, weil das meiste schon ausverkauft ist. So gibt es eben Leberkäse mit Kartoffelpüree und Kraut.
Bei der anschliessenden Planung für den nächsten Tag erklärt mir Hans, dass er lieber einen ausgeschilderten Radweg, möglichst einem Fluss entlang, weiterfahren will, statt auf dem hügeligen Jakobsweg, und schlägt vor, zum Main zu fahren, um so nach Würzburg zu gelangen. Nach all meiner Vorbereitung will ich aber beim Jakobsweg bleiben, und so trennen sich unsere Wege.