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Was ist los mit Sophia?

Von meinem Pilgerkollegen Hans

León

Dank dem ausgeprägten Orientierungssinn von Gerhard haben wir unsere Albergue bald gefunden, uns eingeschrieben, die Liege im weitläufigen Gebäude entdeckt, geduscht und nun schlendern wir gemütlich durch die Stadt. Da, vor einem Café, sehen wir ein Gesicht, das uns doch bekannt vorkommt. Aber es kann ja nicht sein, vor zwei Tagen war Sophia noch in Burgos. Selbst wenn sie die ganze Strecke entlang der Hauptstrasse gewandert wäre, hätte sie in zwei Tagen 185 km zurücklegen müssen. Das schafft keine Pilgerin. Aber sie ist es tatsächlich, sitzt mit einem Franco-Kanadier bei einem Glas Wein und ist offensichtlich glücklich und zufrieden.

Den Zug hätte sie genommen, löst sie das Rätsel. Also in Gedanken zurück nach Burgos. Zwei lange Baracken, die rechtwinklig zueinander stehen, bilden dort die Albergue, etwas ausserhalb des Stadt­zentrums. Im Winkel der Gebäude stehen Tische unter Schatten spendenden Bäumen. Und unter den Bäumen sitzt Sophia beim Wein. Wir sprechen sie an und Sophia bittet uns, ihr ein Brot zu besorgen, wenn wir mit den Velos wieder in die Stadt zurück fahren. Und sie ist traurig. Sie sei mit einem jungen Mann unterwegs gewesen, der sich jetzt nicht mehr melde. Sie wartet, das Handy neben sich, sehnlichst auf einen versprochenen Anruf. Eine komplizierte, aber wohl nicht einmalige Liebesgeschichte, scheint uns.

Das Brot besorgen wir natürlich, aber Sophia lässt sich nicht mehr blicken.

Am Abend suchen wir die Kantine der Universität. Sie ist uns zum Nachtessen empfohlen worden. Da treffen wir auch unsere Sophia wieder. Sie ist mit einem Begleiter ebenfalls dorthin unterwegs. Nehmen die beiden Jungen unsere Einladung an den Tisch gerne oder eher aufge­zwungen an? Klar ist nur, auf der verbalen Ebene verstehen sie sich nicht. Sie spricht neben ihrer Mutter­sprache französisch, er nur englisch. So brauchen sie uns, um Konversation zu machen. Ob sie das aber überhaupt wollen? Die Liebe kenne keine Sprache, sagt man. Stören wir? Dem Holländer, welcher Sophia eingeladen hat (nur in die Kantine, wie sie Gerhard gegenüber auf dem Heimweg meckert), wird die Situation offen­sichtlich irgendwann zu dumm und er verlässt die Stätte. Später sitzen die beiden aber wieder vereint unter besagten Bäumen.

Fragen über Fragen. Klar ist nur: Es gibt sportliche, spirituelle und religiöse Pilger. Pilger zu Fuss, mit dem Velo, mit und ohne Gepäck, Pilger, welche im Freien, in Albergues oder in Hotels übernachten, Pilger, wie sich später zeigt, auch das Auto als erlaubtes Fortbewegungs­mittel betrachten. Gibt es vielleicht auch Pilgerinnen, welche zur Enthaltsamkeit verurteilte Pilger auf ihrem entbehrungsreichen Weg erheitern, wie es wohl im Mittelalter der Fall gewesen sein mag? Wie viele andere Fragen auf dem Weg bleibt auch diese offen.

Sophie
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