Auf meiner Pilgerreise von Leipzig nach Konstanz besuchte ich Jakobuskirche in Rothenburg ob der Tauber. Mein Interesse galt sofort dem Zwölfbotenaltar mit den farbenprächtigen Gemälden von Friedrich Herlin aus dem Jahr 1466. Ich habe das Buch von Erich Baierl über die Legende des Galgen- und Hühnerwunders gelesen und wusste was mich auf der Rückseite des Altars erwartet.
Meine Fotos habe ich daheim entzerrt und etwas aufgehellt.
Auf der ersten Tafel sitzt die Pilgergruppe in voller Pilgertracht beim Abendessen. Ein Diener serviert eine Fleischspeise. Der Tisch gibt Aufschluss über die damals üblichen Tischsitten. Man bedient sich aus einer Schüssel und isst mit den Händen. Jeder hat ein Stück Brot, ein Messer und einen Becher aus Metall vor sich. In der Legende ist von einem silbernen Becher die Rede. Demnach war es eine recht vornehme Herberge, denn üblich waren einfachere Tischgeräte. Es handelt sich wohl auch um begüterte Pilger. Einfache Pilger konnten sich solchen Luxus nicht leisten. Der Wirt weiss, hier ist etwas zu holen. Am rechten Bildrand, versteckt er einen Becher in einem Pilgersack der Gäste, um sie des Diebstahls zu überführen und an ihr Vermögen zu kommen.
Die Tafel links unten zeigt, wie das Unheil seinen Lauf nimmt. Im Vordergrund kommen bewaffnete Schergen angeritten. Einer ist vom Pferd gestiegen und holt aus dem Rucksack des Vaters einen Becher Ergriffen wird aber der Sohn, den wir auf der Hintergrundszene vor dem Stadttor am Galgen hängen sehen.
Die nächste Tafel zeigt Pilger mit Muscheln am Hut und am Mantel. Demnach sind sie auf dem Rückweg von Santiago. Sie staunen über ihren noch lebenden Sohn. Jakobus ist nicht zu sehen, aber der Strick ist nicht gespannt. Er hängt locker am Balken. Der Vater fällt zum Dankgebet auf die Knie. Im Vordergrund ziehen die Pilger durch das Tor in die Stadt, um dem Richter das Wunder zu künden. Pilgerstöcke mit bewehrten Spitzen beherrschen den Bildaufbau als wollten sie sagen: Jetzt sind wir im Recht, jetzt werden wir es ihnen geben. Die Eule links im Bild, gibt ein Rätsel auf In der Concordantia caritas wird sie mit Christus verglichen. Wie die tagblinde Eule sich nicht gegen Angriffe anderer Vögel wehren kann, konnte sich auch Christus, obwohl ohne Schuld, nicht gegen seine Verurteilung wehren. Auch der Jüngling war unschuldig und wurde verurteilt, ohne sich wehren zu können.
Der braune Umhang des Pilgers erinnert an die Mode der Nachkriegszeit. Die „Pelerine“ - der Pilgerumhang ist aus der Mode gekommen. Damals wurde sie, nicht nur von Kindern, bei Regenwetter gerne getragen.
Die Pilger konnten die Richter offensichtlich überzeugen, denn im nächsten Bild sieht man diese, an ihrer Kleidung zu erkennen, zusammen mit dem Vater in der Küche des Wirts. Dieser legt Wert auf Äusseres. Der kurze Rock ist neueste Mode. Mass war die Armlänge. Der Rock sollte so lang sein, dass die Fingerspitzen den Saum berührten. Wenn er kürzer war, galt er als anstössig und unschicklich.
Der Wirt zeigt mit der rechten Hand auf den vom Küchenjungen gedrehten Bratspiess, von dem Hahn und Henne wegfliegen. Die Linke ist wie zu einer Beschwörung erhoben.
Auf dem letzten Bild wird der Wirt gefesselt abgeführt und schliesslich, wie die Hintergrundszene zeigt, gehängt.
Fotos: Gerhard Eichinger
Text aus dem Buch von Erich Baierl: "Da sprungen due huener zu hant ab dem spiesz..."
Jakobsweg Rothenburg