Am österreichischen Jakobsweg, am Weg zwischen Ulm und
Konstanz, in Wien, in Südtirol und in der Schweiz, ist mir das "Mariahilfbild" in Form einer Kopie immer wieder begegnet.
Das Original von Lucas Cranach d. Ä. ist am Hochaltar des Innsbrucker St. Jakob Doms.
Das Bild macht einen sehr harmonischen Eindruck, hervorgerufen durch die Anordnung der Figuren im Dreieck, aber vor Allem durch den Gesichtsausdruck, der Glück und Zufriedenheit der Mutter-Kind-Beziehung ausdrückt.
Maria blickt nicht auf das Jesuskind sondern auf den Betrachter. In zurückhaltender Bescheidenheit präsentiert sie das Jesuskind. Sie hält es ganz nah bei sich. Ihre Hände umschliessen das Kind und bieten ihm Geborgenheit. Die Wangen berühren sich. Das Kind wendet sich schutzsuchend und liebkosend an seine Mutter.
Zugleich vermittelt das Bild die Zärtlichkeit und Liebe, mit der Maria das Kind hält und die das Kind erwidert.
Die Idylle wird durch nichts gestört. Kein Zierrat, keine Engeln, keine Wolken, keine Trauben oder andere Symbole. Und vor Allem keine Kronen. Maria ist eine ganz normale Frau. Sie ist nicht als Himmelskönigin dargestellt. Das haben viele, vor allem barocke Kopisten, nicht verstanden und dem Jesuskind und der Maria Kronen aufgesetzt.
Maria führt uns die Mode der Renaissancezeit vor. Beachtenswert sind die Ärmel ihres Kostüms.
Das Bild ist in der Zeit zwischen 1517 - 1525, also während der Reformation entstanden. Lucas Cranach war ein enger Freund von Martin Luther. Wir sehen eine neue "reformierte" Maria. Dieses evangelische Bild wird zum weitverbreitetsten Marienbild in der katholischen Welt des Alpenraums und Süddeutschlands. Das Original und auch bestimmte Kopien werden als Wunder bringend verehrt.
Mögliche Vorbilder
In der Literatur zu Cranachs Mariahilfbild liest man oft über byzantinische Vorbilder.
In der byzantinischen Kultur entstand der Muttergottestypus der "Elëusa" bereits im 1. Jahrtausend. Elëusa bedeutet soviel wie "Mutter des Erbarmens". Das Kind wendet sich schutzsuchend und liebkosend an seine Mutter. Maria aber schaut über das Kind hinweg in die Ferne. Die Hände der Mutter nehmen ihr Kind bergend in die Arme, der Ernst ihres Blickes verrät aber, dass sie um das zukünftige Schicksal Christi weiss.
Der italienische Maler Raphael hat unzählige "Madonna mit Kind" Bilder geschaffen. Diese Skizze mit sehr ähnlicher Kopf und Handhaltung ist vor dem Cranachschen Mariahilfbild entstanden.
Ich denke, Cranach hat kein Vorbild benutzt. Das Mariahilfbild ist der Höhepunkt einer evolutionären Entwicklung seiner Madonna mit Kind Darstellungen unter dem Einfluss seines Freundes Martin Luther.
Das Motiv Madonna mit Kind hat Lucas Cranach duzende Male gemalt. Die ähnlichsten Bilder sind meiner Meinung nach:
Madonna mit der Weintraube, Museum in der Wartburg...
...und diese Madonna mit Kind mit romantischem Hintergrund.
Der Stil dieses frühen Cranach Bilds ist möglicherweise durch die "Donauschule" bzw. durch die Begegnung mit Dürer beeinflusst.
Die Kopfhaltung, die Stellung der Augen, der Ohren, des Mundes und die Anordnung der Haare lassen auf eine Madonna-Schablone schliessen.
Wer stand Modell für die Maria?
Maria
Dienerin
Caritas
Wen hat Cranach als Modell für die Maria genommen? Ist es seine persönliche Vorstellung der Maria, einer Idealfrau, oder seine eigene Frau Barbara in jungen Jahren?
Das erste Mal taucht dieser Frauenkopf im Bild Judith und Holofernes auf. Es ist die Dienerin, die da zufällig im Bild steht, mit der Geschichte aber nichts zu tun hat. Vergleichen wir doch Judiths junge Dienerin mit einem Bild der älteren Barbara Cranach. Er hat sie am Reformationsaltar in Wittenberg verewigt.
Cranach hat auch in anderen Bildern Familienmitglieder dargestellt, die mit der Geschichte nichts zu tun haben. So steht zum Bespiel er selbst neben seinem Freund Martin Luther unter dem gekreuzigten Christus (Altarbild in der Herder Kirche in Weimar.
Die Kopfform und Haltung der Frau, die Haartracht, der Haarreif und das Ohrläppchen gleichen einander. Ebenso hat der Kopf seiner "Caritas" starke Ähnlichkeiten mit dem der Maria. All diese Köpfe in der gleichen Schräghaltung stammen wahrscheinlich von einer Cranachschen "Madonnen Schablone".
Judith mit dem Kopf des Holofernes und Dienerin
Die sitzende Caritas
Der Schleier der Maria hat so manchen Kopisten zur Verzweiflung gebracht. Einen transparenten Schleier zu malen erfordert eine spezielle Maltechnik, die Lucas Cranach meisterlich beherrschte. Viele seiner Frauengestalten tragen durchsichtige Schleier, wie auch die Caritas oder die Judith.
Es gibt viele Kopien des Mariahilf Bildes in Europa. Einige habe ich fotografiert und in eine Maria Hilf Bilder Sammlung gestellt. Siehe dort!
Links zum Mariahilfbild: http://www.kirchenundkapellen.de/kirchenpz/Passauermariahilfbild.htm
Die Pfarre Sulz im Wienerwald beschreibt auf ihrer Webseite die Geschichte des Mariahilfbilds